Sagt klar seine Meinung: Aston-Martin-Pilot Sebastian Vettel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Cole/AP/dpa)

Fast schon demonstrativ zupfte Sebastian Vettel seine Schweißbänder in den ukrainischen Farben zurecht. Dann stellte der Formel-1-Star klar, dass weder er noch Lewis Hamilton sich von den irritierenden Aussagen des Weltverbandschefs in ihrem politischen Engagement bremsen lassen werden.

«Diese Themen sind wichtiger als wir, wichtiger als der Sport. Wir sollten dafür weiter Aufmerksamkeit erzeugen und den Leuten zeigen, dass es viele Dinge gibt, die wir besser machen können», sagte Vettel zum Auftakt des Gastspiels in Baku – und ein paar Stühle weiter nickte Hamilton dazu.

Aussagen vom Fia-Chef

Kurz vor den ersten Trainingsrunden in Aserbaidschan hatte der Präsident des Internationalen Automobilverbands Fia noch versucht, seine Sätze aus einem wenige Tage zuvor erschienenen Interview einzufangen. Im Gespräch mit dem Fachportal «grandprix247.com» hatte Mohammed bin Sulayem unter anderem hinterfragt, «ob wir dem Sport ständig unsere Überzeugungen aufzwingen sollten».

Legenden wie Niki Lauda und Alain Prost hätten sich einst nur ums Fahren gekümmert. «Jetzt fährt Vettel ein Regenbogenfahrrad, Lewis engagiert sich leidenschaftlich für Menschenrechte und Lando Norris befasst sich mit psychischer Gesundheit», sagte der Fia-Chef.

Als diese Sätze das Fahrerlager erreichten, wurden sie schnell als Kritik an den sozialen und gesellschaftlichen Aktivitäten einiger Piloten interpretiert. «Vielleicht wurde es ja aus dem Zusammenhang gerissen. Aber es hält uns nicht dabei auf, was wir tun», versicherte Rekordchampion Hamilton. Die Formel 1 sei eine wichtige Plattform auch für gesellschaftliche Diskussionen. «Ich ermutige alle Piloten, ihre Meinung zu sagen», fügte der 37-Jährige hinzu.

Mercedes-Stern in Regenbogenfarben

Sehr zur Freude des Briten, der gerade erst zum Ehrenbürger Brasiliens ernannt worden ist, prangt auf seinem Silberpfeil in Baku ein Mercedes-Stern in Regenbogenfarben. Damit will das Team die LGBTQI+-Gemeinschaft unterstützen, also Menschen unterschiedlicher Identitäten und sexueller Orientierungen. «Sehr langsam» gehe es beim Thema Diversität noch voran, kritisierte Hamilton.

Auch Vettel hatte vor dem Grand Prix in Baku ein Zeichen für die LGBTQI+-Bewegung gesetzt und dem Schwulenmagazin «Attitude» gesagt, dass ein schwuler Rennfahrer inzwischen in der Formel 1 willkommen wäre. Ins Fahrerlager rollte der 34-Jährige erneut mit dem vom Fia-Chef erwähnten Regenbogen-Rad. «Ich muss Dinge nicht ertragen, die nicht richtig sind, und das werde ich auch nicht», sagte Vettel.

Er fühle sich vereint mit Hamilton in seinem Engagement für eine bessere Welt. Immer wieder wenden sich die beiden Ex-Weltmeister gegen Rassismus, Homophobie und Vorurteile, machen sich stark für den Klimaschutz. «Wir sind in vielen Dingen einer Meinung», sagte Vettel. Es sei ihm egal, wenn in der aus seiner Sicht immer noch ziemlich konservativen Formel 1 hinter seinem Rücken jemand dieses Engagement für geschäftsschädigend halte.

Fia-Chef bin Sulayem mühte sich, diesen Eindruck aus der Welt zu schaffen. Schließlich seien «Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion eine der wichtigsten Prioritäten meines Amts», twitterte der 60-Jährige aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er schätze «das Engagement aller Fahrer und Champions für eine bessere Zukunft».

Bin Sulayem: Sport und Politik nicht vermischen

In dem Interview hatte er zuvor noch im Stil vieler Verbandsfürsten wie IOC-Präsident Thomas Bach davor gewarnt, Sport und Politik zu vermischen. «Zu politisch» sei ihm der Motorsport inzwischen geworden, hatte bin Sulayem gesagt.

Gerade vor Auftritten der Rennserie wie in Aserbaidschan kommen den Vermarktern politische Botschaften eher ungelegen. Im autoritären Staat des Präsidenten Ilham Aliyev beklagen Menschenrechtler immer wieder Verhaftungen und Folter von Oppositionellen und die zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Einen Verzicht auf solche Gastspiele wie in Baku, Saudi-Arabien oder Singapur hält Vettel aber auch für den falschen Weg, wie er sagte: «Wenn wir keine Rennen veranstalten, können wir überhaupt nichts bewirken. Aber wenn wir in diesen Ländern Rennen fahren und höflich, aber bestimmt für das eintreten, was wichtig ist, können wir eine positive Wirkung erzielen. Werte und Prinzipien können nicht an Grenzen Halt machen.»

Von Christian Hollmann und Thomas Wolfer, dpa