Der zweitplatzierte Sergio Perez (l) und der Sieger Max Verstappen feiern gemeinsam auf dem Podium. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Benoit Doppagne/Belga/dpa)

Der heimische «Telegraaf» gerät bei Max Verstappen ins Schwärmen, Superlative inklusive. «Fans, von jung bis alt, fliegen um die ganze Welt, um die Magie der Königsklasse zu entdecken. Mit Verstappen als großartigem Fahrer und Publikumsmagneten. Noch nie hat ein niederländischer Sportler das geschafft», schreibt die auflagenstärkste Zeitung des Landes. 

Rauchschwaden werden wieder über die Dünen ziehen, die Bässe über den Strand wummern – die Orange Army ist auf Dauerparty eingestellt. Verstappen, geboren im belgischen Hasselt, hat das ausgelöst, was Deutschland schon lange wieder vermisst. Einen Formel-1-Boom. Vor zehn Jahren habe niemand in Zandvoort an einen Grand Prix gedacht, meinte Verstappen am Donnerstag bei der offiziellen Pressekonferenz.  

Verstappen will vor allem eines: Rennfahren

Der Vertrag mit der 2021 in den Kalender zurückgekehrten Rennstrecke wurde vorzeitig bis einschließlich 2025 verlängert. «Der Grand Prix der Niederlande hat sich im Kalender schnell als Favorit der Fans etabliert», sagte Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali bei der damaligen Verkündung. 

Dass Verstappen 2021 und 2022 gewann, dient(e) als weiterer Attraktionsbeschleuniger. Extra-Druck verspürt der in der Sommerpause bestens ausgeruhte WM-Spitzenreiter – «Ich habe viel geschlafen, das ist auch wichtig» – nicht. Die Euphorie in seiner Heimat und um seine Person sei großartig. «Ich habe deswegen keine Last auf den Schultern», betonte Verstappen, der auch noch schnell sein Mobiltelefon zückte, um den Kollegen die neuesten Updates zum wechselhaften Wetter an der Nordsee zu geben.

Aus Marketing-Sicht und im Vergleich zum vorhergehenden Dominator Lewis Hamilton sieht der Experte Jens Falkenau den 25 Jahre alten Niederländer als «Favorit der Stunde». «Verstappen ist voll auf den Sport und den Sieg konzentriert», meinte der Vizepräsident Marktforschung von Nielsen Sports: «Hamilton erwies sich allerdings lange Zeit als die schillerndere Persönlichkeit, welcher auch jenseits der Rennstrecke für Schlagzeilen sorgte. Verstappen ist voll auf den Sport und den Sieg konzentriert. Für einige Fans eine ideale Konstellation, für andere (speziell weibliche) hat er noch Potenzial, seine Persönlichkeitsmarke zu schärfen.»

Ob Verstappen das auch will, darf zumindest bezweifelt werden. Verstappen will vor allem eines: Rennfahren. Der Sohn des ehemaligen Formel-1-Piloten Jos Verstappen ist keiner wie Hamilton, der nebenbei der Mode und der Musik frönt. Verstappen ist auch nicht bekannt als politischer Pilot mit weltbewegenden Motiven, wie Hamilton oder wie es Ex-Fahrer Sebastian Vettel vor allem in den letzten Jahren seiner Karriere war. Wenn Verstappen nicht im Rennauto auf einer Rennstrecke sitzt, fährt Verstappen Rennen im Simulator. 

Diese pure Rennleidenschaft erinnert den zweimaligen Weltmeister Mika Häkkinen auch an Michael Schumacher. «Es war nicht nur sein Job, es war nicht nur ein Hobby, es war sein Lebensstil. Und das sehe ich auch in Max», sagte der mittlerweile 54 Jahre alte Finne dem Portal RacingNews365.com. «Beide sind zweifelsohne so unterschiedlich wie zwei Menschen nur sein können», sagte der ehemalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug der Deutschen Presse-Agentur zum Vergleich des siebenmaligen Champions Schumacher mit Verstappen: «Was sie verbindet, ist ihr Talent und ihre kompromisslose Hingabe zu dem Sport, den sie lieben. Und das Fahrzeug samt Team, das zum Zeitpunkt ihrer Dominanz besser als alle anderen im Feld ist.»

WM-Titel für den Niederländer nur noch Formsache

Dass Verstappen 2023 zum dritten Mal nacheinander Weltmeister wird, ist mehr oder weniger nur noch eine Formsache. Vor dem Großen Preis der Niederlande hat er erdrückende 125 Punkte Vorsprung auf seinen mexikanischen Red-Bull-Teamkollegen Sergio Pérez. 

Die Art und Weise, wie er seine Konkurrenz in diesem Jahr beherrscht, hat auch Züge der Überlegenheits-Ära von Michael Schumacher einst bei Ferrari. «Max Verstappen fährt vernichtend», titelte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» nach Verstappens Sieg vor der Sommerpause in Spa-Francorchamps. Vokabular, das auch bei Schumacher nicht selten Verwendung fand. 

Gewinnt Verstappen nun auch die dritte Auflage in Zandvoort nach der Rückkehr, stellt er en passant die Rekordmarke von Vettel ein: Neun Siege nacheinander. Vettel war das 2013 gelungen, in seinem vierten Weltmeister-Jahr im Red Bull.  «Es gibt eine große Chance, dass er alle (restlichen) Rennen gewinnt», sagte Rekordweltmeister Hamilton über Verstappen und die Saison 2023. Zehn Grand Prix stehen noch an.  

45 Siege feierte Verstappen mittlerweile insgesamt. Seit 2015 fährt er bereits. Bei den ersten Rennen war er gerade mal 17 Jahre alt. Verstappen reifte als Teenager, den ersten Rennerfolg schaffte er in seinem 24. Anlauf.  Zandvoort wird sein 176. Grand Prix. «Ich freue mich auf die zweite Saisonhälfte», sagte Verstappen nach ein bisschen Erholung in der Sommerpause: «Und was gibt es Besseres, als in den Niederlanden wieder loszulegen.»

Von Jens Marx, dpa