Die Formel 1 startet am Samstag mit dem Großen Preis von Bahrain in die neue Saison. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hasan Bratic/dpa)

Die riesigen Werbeplakate für das 20-Jährige in Bahrain können es auch nicht verdecken: Die Formel 1 startet mit einem Image-Schaden in die neue Saison. Alles sollte – mal wieder – noch größer, noch besser, noch spektakulärer und vor allem noch gesellschaftstauglicher werden. Die Affäre um den Weltmeister-Teamchef Christian Horner unmittelbar vor dem Rennauftakt am Samstag (16.00 Uhr/Sky und RTL) wegen des bevorstehenden islamischen Fastenmonats Ramadan zählt nicht dazu.

Selbst wenn ihn nach eigener Aussage die Angelegenheit nicht belastet, hofft auch Verstappen auf eine schnelle Klärung, betonte er am Mittwoch bei der Fahrer-Pressekonferenz. Allerdings wollte er aber auch auf Nachfragen nicht weiter ins Detail gehen: «Es ist nicht mein Fall, wir müssen als Team dem Prozess vertrauen, aber wir müssen auch geduldig sein», sagte er.

Die Sache hänge über dem Sport, ergänzte Rekordweltmeister Lewis Hamilton von Mercedes: «Es ist ein wichtiger Moment für den Sport, um zu zeigen, dass wir zu unseren Werten stehen.» Von einem Problem für die gesamte Formel 1 hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff bereits gesprochen.

Das lange Schweigen in Fuschl am See

Noch immer ist unklar, wie es weitergeht mit Horner. Dem 50-Jährigen wird von einer Mitarbeiterin unangemessenes Verhalten vorgeworfen. Am 5. Februar und damit knapp einen Monat vor dem ersten von 24 Rennen der Rekordsaison 2024 bestätigte der Mutterkonzern Red Bull eine Untersuchung durch einen unabhängigen Anwalt.

Seitdem gibt es keine Informationen aus der Konzernzentrale im beschaulichen Fuschl am See. Dafür Drängen und Kritik vom designierten Motorenpartner Ford sowie die Forderung der Formel 1 nach einer zügigen Klärung.

Praktisch stündlich wird nun in der Wüste von Sakhir genau damit gerechnet. Dort, wo Red Bulls Erfolgspilot Max Verstappen eigentlich mit dem neuen RB 20 gleich mal für weitere Klarheit sorgen und seine Ansprüche auf den vierten Titel in Serie untermauern will. Die größten Zweifel, dass er es nach 19 Siegen in 22 Rennen in der vergangenen Saison diesmal wieder schaffen könnte, herrschen nicht unbedingt im Fahrerlager.

250.000 Dollar für den Verstappen-Bezwinger

«Ich schätze, 19 Fahrer denken jetzt, dass sie nicht Weltmeister werden», betonte der zweimalige Champion Fernando Alonso bereits: «Wenn man Max und den Red Bull in Aktion gesehen hat, scheint es für alle anderen geringere Chancen zu geben, in diesem Jahr ein Rennen zu gewinnen.»

Der Chef der vollelektrischen Rennserie Formel E will sogar demjenigen, der Verstappen schlägt, am Ende dieses Jahres 250.000 US-Dollar (rund 232.000 Euro) für wohltätige Zwecke überweisen. «Wenn er sich nicht verletzt oder etwas Verrücktes passiert, hat er zu 99 Prozent die Trophäe in der Tasche», prophezeite Jeff Dodds.

Worunter die Absetzung eines Teamchefs fallen würde, bleibt zu überlegen. Auch, was dran ist an dem internen Machtkampf bei Red Bull, von dem schon länger die Rede ist. Hier der Teamchef Horner, der den Rennstall seit dem Einstieg 2005 leitet.

Dort der Motorsportberater Helmut Marko, dem einst so engen Vertrauten des im Oktober 2022 gestorbenen Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz und weiter enger Vertrauter des Verstappen-Lagers auch mit Vater Jos. Dass ausgerechnet eine niederländische Zeitung als erste von den Vorwürfen gegen Horner berichtete, befeuerte sämtliche Spekulationen.

Hamiltons Mercedes-Finale: «Gigantischster aller Schocks»

Bedurft hätte es all dem für eine Saison ganz nach dem Vermarktungsgeschmack der US-Eigentümer gar nicht. 24 Rennen und damit so viele wie noch nie seit dem WM-Beginn 1950. Die Rückkehr nach China nach fünf Jahren und obendrauf die letzte Saison von Lewis Hamilton im Mercedes: Der siebenmalige Champion aus England wird ab 2025 den roten Rennoverall von Ferrari anziehen. Eine Konstellation, die es in sich haben könnte.

«Erdbeben» («Le Monde»), «gigantischster aller Schocks» («The Independent») oder auch «Unterschrift des Jahrhunderts» («Mundo deportivo») – an Superlativen mangelte es nicht, als der Sensationswechsel bestätigt wurde. Der Verlockung des Mythos Ferrari, von viel, viel Geld und der Aussicht, diesen so ersehnten achten Titel, mit dem er den ehemaligen Ferrari-Star Michael Schumacher überholen würde, ausgerechnet in einem Wagen der Scuderia zu holen, konnte Hamilton nicht widerstehen.

Dass es in diesem Jahr noch im diesmal silberschwarzen Mercedes klappt mit dem Triumph, ist nach den ersten Eindrücken zumindest nicht sehr wahrscheinlich. Selbst wenn Hamilton, der im Januar 39 Jahre alte wurde, schon betonte: «Ich fühle mich so motiviert und fokussiert wie niemals zuvor.» Und auch das feststellte: «Ich hätte nie gedacht, dass es einen Punkt in meinem Leben geben würde, an dem ich so einen Hunger habe wie jetzt.»

Mick Schumachers Hoffnung über einen Umweg

Den haben auch viele andere. Wie Carlos Sainz, der seinem Ferrari-Sitz nach dieser Saison für Hamilton räumen muss. Oder dessen Teamkollege Charles Leclerc, die einstige Zukunftshoffnung der Scuderia, die noch immer kein Weltmeister wurde. Oder auch Nico Hülkenberg, der mit dem amerikanischen Haas-Team unter neuer Führung nach der Absetzung von Günther Steiner diesmal nicht wieder Letzter in der Konstrukteurswertung werden will.

Oder auch Mick Schumacher, der wieder nur die Ersatzbank drückt, sich aber mit seinem Zweitjob empfehlen will. Der 24-Jährige wird neben seinem Engagement bei Mercedes zum ersten Mal in der Langstrecken-Weltmeisterschaft für den französischen Hersteller Alpine starten, die ebenfalls am Samstag in Katar beginnt. Nicht weit weg von Bahrain, wo das die Frage nach der Zukunft von Horner weiter für schwere Nebengeräusche sorgt.

Von Jens Marx, dpa