Lewis Hamilton findet sich in dieser Formel-1-Saison in einer ganz ungewohnten Rolle wieder. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Darko Vojinovic/Pool AP/dpa)

Alles Klagen wird Lewis Hamilton nichts helfen. Im engen Titelkampf mit Max Verstappen bekommt der Formel-1-Weltmeister bis zum Saisonende keine entscheidenden technischen Verbesserungen mehr für seinen Mercedes.

Während WM-Spitzenreiter Verstappen mit Red Bull den Wagen immer weiter entwickelt, konzentriert sich Mercedes längst voll auf die Entwicklung eines Siegerautos für die Zukunft. «Wir planen langfristig», sagte Toto Wolff, Motorsportchef bei den Silberpfeilen: «Wir bleiben bei unserem Fahrplan, dass wir uns auf die Entwicklung des Autos für 2022 konzentrieren. Wir sind uns der Konsequenz bewusst, dass dies Auswirkungen auf 2021 haben könnte.»

Hamilton möchte Druck aufbauen

Also schenkt Mercedes die WM nach einem Drittel der Saison schon ab? Wohl kaum. «Wir haben noch viele Rennen und wir müssen weiter Druck machen. Wir sind die Weltmeister», sagte der siebenmalige Champion Hamilton. Vor dem neunten Saisonlauf am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) in Österreich liegt er allerdings 18 Punkte hinter Verstappen. Der Niederländer gewann drei der letzten vier Rennen. «Wenn wir das Auto nicht verbessern und uns den Rest des Jahres nicht entwickeln, geht das so weiter», sagte Hamilton. Der Wunsch nach einem überarbeiteten Heckflügel erhielt von Wolff jedoch direkt eine klare Absage.

«Es ist eine schwierige Entscheidung, aber wir wechseln auf ein komplett neues Autokonzept für die nächsten Jahre», sagte Wolff. Ab 2022 macht ein ganz neues Reglement die Konstruktion eines ganz anderen Boliden notwendig, die eingeführte Budgetobergrenze für die Teams setzt dabei auch einen finanziellen Rahmen. «Es ist also sehr wichtig, den richtigen Kompromiss zu finden», sagte der Österreicher. Natürliche wolle man dieses Jahr auch zum achten Mal nacheinander die Weltmeisterschaft bei Fahrern und Konstrukteuren gewinnen. Das nütze aber nichts, wenn man künftig technisch im Nachteil ist.

Weltmeister peilt den achten Titel an

«Ich stelle die Ausrichtung des Teams nicht in Frage», sagte Hamilton. Eigentlich will der 36-Jährige in diesem Jahr als erstes Fahrer zum achten Mal Weltmeister werden. Der Weg dorthin wird aber so schwer wie seit 2016 nicht mehr. Vor fünf Jahren hatte der Rekordjäger das letzte Mal im teaminternen Duell mit Nico Rosberg das Nachsehen, gewann ansonsten seit 2014 immer den Titel. «Gebt mir ein Upgrade, das würden wir lieben. Aber ich denke nicht, dass da im Moment etwas geplant ist», sagte der 98-malige Grand-Prix-Sieger.

Die Verantwortlichen des Dauerrivalen Red Bull trauen den Aussagen der Silberpfeile derweil nicht. «Ich kann mir kaum vorstellen, dass Mercedes diese Saison beenden wird, ohne auch nur ein neues Teil an den Wagen zu bringen», sagte Teamchef Christian Horner und konnte sich eine Spitze gegen Wolff nicht verkneifen: «Was Mercedes macht, das ist ihre Angelegenheit. Ich weiß, dass Toto Wolff gerne mal das Scheinwerferlicht auf etwas Anderes richtet.»

Also ist das alles nur eine Finte und Mercedes wird schon in den nächsten Wochen technisch zurückschlagen? Sicher nicht. Viel mehr wird davon ausgegangen, dass auch Red Bull so wie die meisten anderen Teams bald voll auf das nächste Jahr schaut und keine neuen Teile für diese Saison mehr produziert. Darauf setzt auch Hamilton. «Ich versuche, im Moment nicht besorgt zu sein. Aber es lässt sich nicht schönreden: sie sind derzeit schneller. Ich kann nichts tun.»

Auf den Geraden ist Red Bull angeführt von Verstappen ihm enteilt. Das liegt an Verbesserungen des Honda-Motoren sowie des gesamten Autos mit dem Heckflügel und der Aerodynamik. Zum Saisonbeginn sei es noch enger gewesen, betonte Hamilton, aber jetzt habe Red Bull «entscheidende Schritte nach vorne» gemacht. Nach Verstappens nie gefährdetem Sieg am vergangenen Sonntag ist Mercedes erneut nicht in der Rolle des Favoriten. «Wir hängen in mehreren Bereichen hinterher», sagte der Titelverteidiger über die ungewohnte Position.

«Die Weltmeisterschaft ist in diesem Jahr ein Schwergewichtskampf über 23 Runden und wir haben gerade erst einmal ein Drittel davon hinter uns», beruhigte Wolff jedoch: «Noch ist alles drin.»

Von Thomas Wolfer, dpa