Plötzlich Gejagter: Verstappen bleibt im Ttelduell cool
Vom Jäger zum Gejagten: Red-Bull-Pilot Max Verstappen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Clive Rose/Pool Getty/AP/dpa)

Trotz aller Sticheleien und Psycho-Spielchen hat Max Verstappen sein großes Ziel ganz fest im Blick.

«Wir müssen uns darauf konzentrieren, was auf der Strecke ist, das ist am besten», sagte der Niederländer: «Wir müssen uns verbessern, um das Auto schneller zu machen. Dann haben wir eine sehr gute Chance.» Erstmals in seiner Karriere geht der 23-Jährige als WM-Führender in ein Formel-1-Rennwochenende. Und mit einem Sieg beim Großen Preis von Aserbaidschan am Sonntag (14.00 Uhr/Sky) kann er den nächsten Schritt in Richtung seines ersten Weltmeistertitels machen.

Druck auf Mercedes erhöht

Verstappen und Red Bull haben den Druck auf Dauersieger Mercedes in den vergangenen Wochen erhöht. Der Youngster liegt in der Wertung der Fahrer vier Zähler vor dem siebenmaligen Champion Lewis Hamilton, auch in der Team-WM ist Red Bull knapp vorn. «Wir haben bisher wenige Fehler gemacht, aber wir wissen, dass Mercedes auf normalen Strecken noch ganz vorne ist», sagte Verstappen. Aber Baku ist eben kein ganz normaler Kurs. Der Mix aus langen Geraden und engen Kurven in der Altstadt stellt alle Rennställe vor große Herausforderungen. Mehr als andernorts kommt es auf die perfekte Abstimmung der Autos an.

Und dann ist da noch die Diskussion um die biegsamen Heckflügel von Red Bull. Diese bringen durch geringeren Luftwiderstand einen Vorteil auf den Geraden, weil sie sich bei höhere Geschwindigkeiten biegen können. In den Kurven nimmt der sogenannte Flexi-Flügel wieder seine ursprüngliche Form an und sorgt für Abtrieb. Mercedes kündigte Proteste an, falls Red Bull auch in Baku von diesem technischen Kniff Gebrauch macht. Der Rennstall veränderte seinen Flügel aber offenbar erneut. Auf TV-Bildern war am Freitag im Training zu sehen, dass sich das Bauteil wohl nicht mehr so stark veränderte wie schon gesehen.

Offiziell wurde von einem solchen Schritt zunächst noch nichts bekannt, auch wenn Red Bull im Training offenbar einen Flügel einsetzte, der sich wieder biegen konnte. Verboten ist das nicht. Auch andere Teams nutzen das, ehe dieses Mittel beim kommenden Rennen in Frankreich in zwei Wochen verboten sein wird.

Red Bull in einer Regel-Grauzone

Red Bull agiert in einer Regel-Grauzone und förderte damit nebenbei weitere Wortgefechte der Teambosse, die im engen Titelkampf ohnehin schon zugenommen haben. Red Bulls omnipräsenter Motorsportberater Helmut Marko stichelte immer wieder in Richtung der Silberpfeile, deren Motorsportchef Toto Wolff nannte Marko wieder den «Grumpy» (den Mürrischen), der «unsere stärkste Waffe bei Red Bull» ist.

Auch die WM-Rivalen Verstappen und Hamilton mischten bis zuletzt noch bei den Rededuellen mit. Das soll jetzt ein Ende haben. «Ich bin an Psycho-Spielchen nicht interessiert. Es ist mir egal, was da gesagt wird», beteuerte Hamilton. Bei noch 17 ausstehenden Rennen wäre es «kindisch, sich jetzt auf einen Krieg der Worte einzulassen», betonte der Brite bereits. Verstappen äußerte sich in Baku ähnlich und machte deutlich: «Lewis und ich respektieren uns, das ist sehr wichtig.»

Favorit in Baku

Verstappen geht als Favorit in den sechsten Grand Prix des Jahres, konnte allerdings bislang noch nie am Kaspischen Meer gewinnen, Hamilton gelang das zumindest 2018. Dass er nicht mehr ganz vorne liegt, ändere für Hamilton kurzfristig aber nichts. «Als Fahrer bist du ohnehin das ganze Jahr hindurch auf der Jagd, ob du nun vorne liegst oder hinten. Für mich fühlt es sich gleich an», sagte der Routinier: «Wir alle jagen das Gleiche, Rennsiege und Titel.»

Schon früh in der Saison ist jedenfalls klar, dass nur Hamilton (101 WM-Punkte) und Verstappen (105) um den Titel kämpfen. Lando Norris hat als Dritter im McLaren schon fast 50 Zähler Rückstand. Für Sebastian Vettel (10), der nur Elfter ist, geht es in seinem ersten Jahr bei Aston Martin schon jetzt nur noch darum, möglichst viele Erkenntnisse für die Zukunft zu sammeln. Genau wie für Mick Schumacher, für den Zählbares in seinem unterlegenen Haas-Rennwagen auch in Aserbaidschan unerreichbar sein dürfte.

Von Thomas Wolfer, dpa