«Was für ein Tag»: Famoser Hamilton kontert Verstappen
Lewis Hamilton (r) bejubelt seinen Sieg auf dem Podium. Max Verstappen (l) steht als Zweiter daneben. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Emilio Morenatti/AP Pool/dpa)

Die Streicheleinheiten des Rekordweltmeisters hatte sich der schwarze Mercedes von Lewis Hamilton redlich verdient.

Nach einer taktischen Meisterleistung und anschließender Wahnsinns-Fahrt gewann der Brite nicht nur den Großen Preis von Spanien, er feierte auch den nächsten wichtigen Punktsieg im packenden WM-Duell mit Red-Bull-Pilot Max Verstappen. «Ihr beeindruckt mich immer wieder», sagte Hamilton in Barcelona, kurz nachdem er seinen Wagen fast schon liebevoll getätschelt hatte in Richtung seiner überglücklichen Silberpfeil-Crew: «Was für ein Tag! Danke für die harte Arbeit!»

Hamilton ließ sich auch von einer erfolgreichen Attacke des Niederländers gleich in der ersten Kurve nicht beeindrucken und konterte grandios nach einem zweiten Boxenstopp in Katalonien. Nach seiner 100. Pole fuhr er auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya seinen 98. Grand-Prix-Sieg und den fünften Formel-1-Erfolg auf dem Schwer-Überholbar-Kurs in Serie heraus. «Am Ende hat es einfach ausgesehen. War es aber nicht», betonte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Dritter wurde Hamiltons finnischer Teamkollege Valtteri Bottas.

Und Verstappen? Der lag ganz lange vorn und musste sich doch noch geschlagen geben. «Es ist wie es ist, es war unmöglich, ihn hinter uns zu halten», funkte der Niederländer noch aus seinem Auto und zog anschließend ein bitteres Fazit: «Ich habe es fast schon kommen sehen. Es gab nicht viel, was wir hätten tun können. Wir waren generell zu langsam – das war unser größtes Problem.»

Verstappen blieb in seinem 100. Rennen für Red Bull bei der Reifenzockerei nur Rang zwei, sechs Runden vor Schluss zog Hamilton vorbei. Nichts wurde es mit dem Triumph am Ort seines ersten Formel-1-Sieges vor fünf Jahren als jüngster Pilot der Motorsport-Königsklasse. Im Klassement wuchs Hamiltons Vorsprung vor dem Klassiker in zwei Wochen in Monaco auf 14 Punkte.

Im Windschatten des WM-Kampfs erlebte Sebastian Vettel ein weiteres Rennen unter den Ansprüchen eines viermaligen Weltmeisters – oder kurzum: Zum Vergessen. Platz 13. «Es war kein gutes Rennen für uns», sagte der Hesse: «Wir tun uns schwer, einen Schritt nach vorn zu machen.» Achtsam schlug sich auch in seinem erst vierten Rennen Mick Schumacher, er erlebte aber einen Schreckmoment bei einem Boxenstopp.

Er sei nicht großartig schneller als beim Training zum Reifenwechsel gekommen. «Dann hab ich ein stehendes Rad gehabt», schilderte er, «und das Auto hält nicht mehr schnell an. Hauptsache es geht den Jungs gut». Mehr als Rang 18 im Haas war für den 22 Jahre alten Formel-2-Champion am Ende nicht drin, nachdem er nach etwas mehr als der Hälfte überrundet worden war. Schwerer als erwartet sei es gewesen, «natürlich auch frustrierend».

Vorn machten die beiden WM-Widersacher von Beginn an mächtig Druck. Verstappen wusste wie Hamilton: Am Start könnte schon eine Vorentscheidung fallen. Verstappen stand auf Startrang zwei auf der eigentlich schmutzigeren Innenseite, kam aber dank viel Gummi auf dem Asphalt super weg, schob sich kurz direkt hinter Hamilton, scherte aus und attackierte den Spanien-Sieger der vergangenen vier Jahre in der ersten Kurve. Es wurde knapp. Verstappen riskierte eine Berührung, Hamilton wich zurück. Der Herausforderer führte.

Die beiden Deutschen kamen erst weiter hinten. Vettel hatte in der Qualifikation schon nicht nur den 13. Platz geschafft. Boden gut machen konnte der nun auch bei Aston Martin weiter kriselnde Vettel zunächst nicht. Im Gegensatz zu Schumacher, der sich erstmal um zwei Ränge verbesserte und sich zwischenzeitig auf Platz 16 vorschob.

Verstappen konnte sich nicht absetzen, jegliche Vorsprünge wären auch dahin gewesen, als der Alpha Tauri des japanischen Neulings Yuki Tsunoda stehen blieb und das Safety Car raus musste. Verstappen meisterte auch den stets heiklen Moment, wenn die Fahrer wieder Gas geben dürfen, souverän. Hamilton kam zunächst nicht ran. Doch die weichste Reifenmischung baute ab, Hamilton setzte Verstappen unter Druck, verkürzte den Rückstand auf unter eine Sekunde, als Verstappen zum Reifenwechsel reinfuhr.

Und dann das: 4,2 Sekunden. Nicht selten wechselt die Red-Bull-Crew die vier Räder in unter zwei Sekunden. Der Mercedes-Kommandostand und auch Hamilton wussten, dass das die entscheidende Phase des Rennens sein könnte. Auch ein 2,7-Sekunden-Reifenwechsel brachte aus Mercedes-Sicht aber nicht die erhoffte Wirkung. Hamilton blieb hinter Verstappen, verkürzte immerhin den Rückstand. Ein Fehler von Verstappen und der Brite wäre wieder vorn. Der Red-Bull-Hoffnungsträger machte keinen Fehler, klagte aber über die Reifen. Als Hamilton nahezu dran war, bog er Richtung Box ab. Wieder auf der Strecke, rief er robotergleich die Topzeiten ab.

Red Bull wagte es und ließ Verstappen draußen: Ein-Stopp-Strategie. Rund 21 Sekunden Vorsprung bei noch gut 20 Runden. Die Hamilton-Jagd war eröffnet. Einmal mehr fuhr der Rekordpilot in einer eigenen Liga. In der 60. Runde musste Verstappen Hamilton vorbeiziehen lassen, die Entscheidung war gefallen, um wenigstens noch einen Zusatzpunkt zu ergattern, ließ er sich noch mal die weichen Reifen aufziehen.

Von Thomas Wolfer und Jens Marx, dpa